Es war einmal ein robinroter Vogel; ein Mädchen, das auszog, um das Abenteuer zu finden; eine Ricke, die sich ein Geweih wünschte; ein Prinz und eine Prinzessin, die mit einem Drachen eine Familie gründeten; ein klitzekleine Feenprinzessin; ein Hase mit drei Ohren – es war einmal weit über alle Berge, alle Täler, alle Länder. Geschichten aus vergangenen Zeiten. Erzählungen von heute. Voller Zauber, Magie und Fantasie. Für alle, die Märchen lieben. Für Klein, für Groß: „Märchenland für alle“…
Es waren einmal, weit hinter den sieben verzauberten Bergen, ein König und eine Königin, die wünschten sich schon lange ein Kind. An einem Herbsttag saß die Königin in ihrem Turm und nähte. Seufzend blickt sie aus dem Fenster und sah, wie die Sonnenstrahlen das goldbraune Herbstlaub noch ein letztes Mal glänzend aufleuchten ließen. Da wünschte sich die Königin: „Ach, wenn ich doch ein Kind hätte! Es hätte goldbraune Haut wie das Herbstlaub und rabenschwarzes Haar wie die Baumstämme.“. Kaum ein Jahr später brachte die Königin ein wunderschönes Mädchen auf die Welt. Seine Haut war goldbraun wie das Laub und sein Haar glänzend schwarz. Die Königin nannte es Goldlaub…
Es war einmal, weit hinter den sieben verzauberten Bergen, ein winzigkleines Mädchen. Manche meinten, sie sei deshalb von solch kleinem Wuchs, weil ihr Vater Herr Rumpelstilzchen höchstpersönlich sein. Von alledem dürft ihr kein Wort glauben! Panna wurde, wie jedes winzigkleine Kind, in einer Blume geboren. Und zwar in keiner gewöhnlichen! Sondern in einem prächtigen Duftröschen. Als sie auf die Welt kam, war die Freude der Familie groß, und die ganze Nachbarschaft bewunderte ihre Schönheit. Alle staunten über ihr glänzend schwarzes Haar, über ihre kastanienbraunen Augen und ihre seidig-braune Haut, auf die die Sonne einen Kuss gehaucht hatte. Panna wurde für ein wahres kleines Wunder gehalten. Sie bleib zwar klein, aber die Liebe in ihrem Herzen war umso mächtiger…
In dem Erzählen von Geschichten lebt die Tradition der Märchen fort. Dies auch durch Widerverwendung oder Neuinterpretationen; wobei jedes einzelne einen Erfahrungsschatz, eine Weltansicht in sich trägt. Für „Märchenland für alle“* hat der ungarische Lesbenverband „Labrisz Leszbikus Egyesüle“ Autor:innen gebeten, klassische Geschichten aus einem besonderen Blickwinkel neu zu erzählen. Darin verwoben sind ihre eigenen Erfahrungen sowie das Bewusstsein für Held:innen, die in vielen Ländern und auch in der Märchenliteratur selten zu Wort kommen. Einzug gefunden haben Adaptionen bekannter Märchen, eine Geschichte aus der griechischen Mythologie, ein irisches Volksmärchen, eine Bearbeitung eines Theaterstückes sowie ein Gedicht.
Ein Ergebnis, das sich durch eine erstaunliche Vielfalt auszeichnet. Dies jedoch mit kleinen Abstrichen. Zum einen ist es schade, dass das Buch Stereotype und Klischees aufbrechen möchte, diese aber dennoch ab und zu darin zu finden sind. Und zum anderen ist es in sich nicht ganz rund. Schön wäre es beispielsweise gewesen, die gendergerechte Sprache nicht nur in den Vorworten zu verwenden, sondern im gesamten Buch. Trotzdem ein richtig wichtiger Schritt, dass die Vielfalt der Welt, der Gesellschaft und des Lebens Einzug eben in diese Erfahrungsschätze hält. In Geschichten und Märchen, die weitererzählt und Generationen weitergegeben werden. Vor allem sollen. Und davon braucht es noch viel mehr…
Eure Janet
PS: Ein kleiner persönlicher Hinweis, in dem Buch werden unter anderem auch wie in anderen klassischen Märchen heikle/schwierige Themen angesprochen, die eventuell eines Vorablesens der Geschichten bzw. einer Begleitung beim oder nach dem Lesen bedürfen.
Herausgeber: Boldizsár M. Nagy
Text: u.a. Petra Finy, Eszter Gangl, Dóra Gimesi, Sára Harka, Kriszta Kasza, Edine Kertész
Übersetzung: Christina Kunze, Tünde Malomvölgyi, Timea Tankó
Illustration: Lilla Bölecz
Erscheinungsjahr: 17. März 2022
Verlag: DK Verlag
Altersempfehlung: ab 6 Jahre
ISBN: 978-3-8310-4509-9
Bildquelle: © DK Verlag