Nichts ist mehr, wie es einmal war. Durch einen Unfall gerät Belas Welt aus den Fugen. Sein großer Bruder liegt im Wachkoma, und die Familie soll eine wichtige Entscheidung treffen. Aber was ist richtig oder falsch? Bela braucht eine klare Antwort. Einer muss es doch wissen. Deshalb macht er sich in „Als mein Bruder ein Wal wurde“ auf den Weg nach Rom, um den Papst zu fragen…
„Manchmal, wenn ich abends im Bett lag, stellte ich mir vor, dass Julius wie ein riesiger Wal durch die Tiefen des Ozeans glitt. Ganz allein, ganz weit unten, dort, wo noch nie ein Sonnenstrahl hingelangt war. Und so, wie ein Wal zum Atmen auftauchte und ganz kurz an die Wasseroberfläche durchbrach, so, stellte ich mir vor, würde Julius aus dem Dunkel aufsteigen. Für diesen einen Moment würde er uns dann spüren oder hören. Vielleicht erkannte er dann meine Stimme, bevor er wieder hinabdriftete in die unerreichbare Tiefe.“
(Auszug aus „Als mein Bruder ein Wal wurde“ von Nina Weger)
Nach einem unverschuldeten Unfall liegt Belas großer Julius durch ein Schädel-Hirn-Trauma im Wachkoma. Apallisches Syndrom. Niemand weiß genau, wie viel und was er von seiner Umgebung um sich herum mitbekommt. Zahlreiche Operationen und ein langer Reha-Aufenthalt folgen. Doch nichts hilft. Die Ärzte können nicht mehr viel tun. Die Eltern von Bela beschließen ihn nach Hause zu holen und dort zu pflegen. Die Situation ist für alle belastend. Vor allem als der Hausarzt um eine Patientenverfügung bei Notfällen bittet.
Bela befürchtet, dass seine Familie auseinanderbricht. Und darf man überhaupt über das Leben von anderen bestimmen? Er wünscht sich ein Zeichen, dass ihm genau sagt, was richtig oder falsch ist. Eine klare Antwort, die alles wieder in Ordnung bringt. Martha, die Tochter eines Mitarbeiters seines Vaters, schlägt ihm vor nach Rom zum Papst zu fahren. Wenn einer es wissen muss, dann doch Gott. Auch Martha hat eine wichtige Frage an ihn. Heimlich plündern die beiden ihre Sparschweine, klauen eine Kreditkarte und begeben sich auf die Reise nach Rom…
Ein Schicksalsschlag in Sekundenbruchteilen – wenn etwas Unfassbares geschieht, gerät alles durcheinander. Nicht nur Eltern müssen Trauer, Angst, Schuld, Wut, Ohnmachtsgefühle und Schmerz verkraften, sondern auch Kinder müssen ein emotionales Chaos bewältigen. Genau darum geht es in Nina Wegers „Als mein Bruder ein Wal wurde“*. Erzählt aus der Perspektive eines Geschwisterkindes. Einblicke in eine Gedanken- und Gefühlswelt, die oft übersehen, unterschätzt wird und doch so viel mehr an Aufmerksamkeit bedarf.
Definitiv kein leichtes Thema, aber Nina Weger schafft es sehr einfühlsam zu zeigen, dass der Schmerz keine Zeit, keine Grenzen und keine Gesetzmäßigkeit kennt. Ebenso wie sie von der Kraft und dem Mut erzählt, wieder nach vorne zu schauen und dem Leben zu begegnen. Tiefgründig, liebevoll und ergreifend. Ein Buch über die Suche, die Wege, die Entscheidungen und die Möglichkeiten des Lebens, das im Innersten berührt.
Eure Janet